Gedenkstein für Flüchtlingsopfer in Arsten

Gedenkstein

für Flüchtlingsopfer

Gedenkstein für Menschen, die auf der Flucht nach Europa umgekommen sind.

Kontakt:

Pastor Dr. Christian Schulken
Tel. 0421 - 89 82 79 13
E-Mail schulken.c@st-johannes-online.de

 

Wofür ein Gedenkstein?

 

 

Schon seit Jahren fliehen Menschen aus den Krisenregionen der Welt über das Mittelmeer nach Europa – mit verheerenden Auswirkungen: Im Jahr 2016 ertranken über 5.000 Menschen im Mittelmeer. 2017 starben oder verschwanden laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) mehr als 3.100 Geflüchtete. Und in 2018 waren mehr als 2.200 Tote und Vermisste zu beklagen. 2019 fanden 1.319 Menschen den Tod bei der Flucht über das Mittelmeer, 2020 waren es noch einmal über 1.166 zzgl. einer hohen Dunkelziffer. Auch bevor sie die Küste erreichen, sterben bei der Durchquerung der Sahara Tausende. Dass die Zahlen der Todesopfer sinken, ist nur ein schwacher Trost.

Zum Gedenken an die Fluchtopfer errichtete unsere Kirchengemeinde Arsten-Habenhausen 2018 ein Mahnmal. Es verdankt sich der Initiative unsres Arbeitskreises Asyl, der sich seit 1992 für Flüchtlinge engagiert.

In einem Künstler-Wettbewerb, der von der Senatorin für Kultur betreut wurde, erhielt der Bremer Bildhauer Klaus Effern den Zuschlag für seinen Entwurf. Die Skulptur symbolisiert Meer und Wüstensand und trägt folgende Inschrift:

„Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen.“ (Offenbarung 21,4)

Im Gedenken an alle Menschen, die vor Krieg, Not und Verfolgung flohen und auf dem Weg zu uns ihr Leben verloren haben.

Die Bronzeplatte wurde auf dem Arster Kirchhof neben dem Gedenkkreuz für die Toten der Weltkriege installiert. Dort ist sie allgemein zugänglich und erweitert das Gedenken an die Opfer von politischer Gewalt in unsere eigene Gegenwart hinein. Beim jährlichen Totengedenken am Volkstrauertag mit Vertretern aus dem Ortsteil legen wir auch am Mahnmal für die Geflüchteten einen Kranz nieder.

 

Gebet für Geflüchtete

Gebet für Geflüchtete

Andacht im Gedenken an Fluchtopfer am Gedenkstein auf dem Arster Friedhof

Termine 2023 (Beginn in der Arster Kirche um 18 Uhr):
13. März, 8. Mai, 10. Juli, 18. September, 13. November 

 

Alle zwei Monate versammeln wir uns in der Arster Kirche und dann am Gedenkstein zu einem „Gebet für Geflüchtete“. Während einer etwa halbstündigen Andacht werden einige Schicksale von Flüchtlingen erzählt, die den Weg nach Europa nicht geschafft haben.

Ein Impuls wirft ein Licht auf eine Facette der Flüchtlingsproblematik, die Europa nun schon seit geraumer Zeit verfolgt. Mit einer Fürbitte für die Toten und für Betroffene von Flucht, Vertreibung und Heimatverlust überhaupt wenden wir uns schließlich an Gott. Er behütet Nach dem Zeugnis der Bibel die Fremdlinge (Psalm 146,9) und hat seiner Gemeinde die Fürsorge für sie in besonderer Weise aufgetragen (2. Mose 23,9; Matthäus 25,35.38.43.44). Zum Schluss entzünden wir eine Laterne und gehen für das Vaterunser und den Segen zur Gedenkstätte.

Das „Gebet für Geflüchtete“ wird von einem kleinen Team getragen. Es findet in den ungeraden Monaten jeweils am zweiten Montag statt und beginnt um 18 Uhr.

 

Gedenkstein - Bilder




Einweihung des Gedenksteins für Flüchtlingsopfer

Kirchengemeinde St. Johannes in Arsten weiht deutschlandweit erste Gedenkstätte ein – Aufruf zu mehr Menschlichkeit

Ex-Imam Bilal Güney sprach ein islamisches Totengebet, das Duo Daf (links) spielte ein Friedenslied aus Aserbaidschan.

Bremen. Eine Gedenkstätte für all jene Menschen, die vor Krieg, Not und Verfolgung geflohen und auf dem Weg nach Europa ihr Leben verloren haben, hat die Kirchengemeinde St. Johannes am Sonntag in Arsten enthüllt. Nach Angaben der evangelischen Kirche ist es deutschlandweit die erste Gedenkstätte dieser Art. Mit der Einweihung habe die Kirchengemeinde überregional ein wichtiges Zeichen für mehr Menschlichkeit gesetzt, so die Vizepräsidentin der Bremischen Bürgerschaft, Sülmez Dogan. Wie Kirchensprecherin Sabine Hatscher mitteilt, sind auf dem Weg nach Europa allein seit 2008 bis zu 45 000 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Weitere 20 000 Todesopfer habe die Durchquerung der Sahara gefordert. Die bronzene Gedenktafel des Bremer Künstlers Klaus Effern erinnert an die Wellen des Meeres und die Sanddünen der Wüsten. In großen Lettern ist auf dem Relief zu lesen: „Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen...“.

 

Den Anstoß, eine solche Gedenkstätte zu schaffen, hatte der Arbeitskreis Asyl der St. Johannesgemeinde gegeben. Dessen Mitglieder engagieren sich seit 26 Jahren für Flüchtlinge. Eine Jury hatte Efferns Entwurf im Rahmen eines Künstler-Wettbewerbs der Kirchengemeinde und des Kultursenators ausgewählt. Das 24 000 Euro teure Mahnmal ist nach Angaben der St. Johannesgemeinde komplett mit Spenden finanziert worden – auch aus den Töpfen der Landeskirche und der Evangelischen Kirche in Deutschland. Die Schirmherrschaft hat der ehemalige Bremer Bürgermeister Henning Scherf übernommen.

 

Im Gottesdienst war das große Thema die Barmherzigkeit. Jürgen Micksch, Theologe und Gründer der Hilfsorganisation Pro Asyl, warnte in seiner Predigt vor dem erstarkenden Nationalismus in Europa und einer hasserfüllten Atmosphäre. Micksch: „Es muss aufhören, dass Europa seine Grenzen schützt und nicht die Flüchtlinge.“ Es dürfe nicht sein, dass jene, die Flüchtlingen helfen, kriminalisiert würden – wie zum Beispiel die Seenotretter. „Seenotrettung ist ein Menschenrecht. Wer das verhindert, begeht ein Verbrechen“, monierte Micksch, der in Deutschland und Europa eine zunehmend menschenfeindliche Stimmung ausmacht. Diese manifestiere sich auch darin, dass der Tod von Geflüchteten von vielen einfach so hingenommen werde. Außerdem habe es 2017 in Deutschland mehr als 2000 Handgreiflichkeiten gegenüber Flüchtlingen gegeben und über 1500 antisemitische Angriffe. „Das hat es vor 30 Jahren so noch nicht gegeben“, so Micksch.

 
 

Botschafter von Veränderung

Menschen, die in die Länder der Europäischen Union flüchten, sind nach Ansicht Mickschs Botschafter von Veränderung: „Sie geben den Impuls für die Wiederbelebung von Werten wie Solidarität, Zuwendung und Mitgefühl.“ Ihr Kommen könne die Ehrfurcht vor dem Leben, der Liebe und der Hoffnung neu beleben. Das Denkmal in Arsten trage dazu bei, Flüchtlinge anders zu sehen: „Sie sind keine Belastung, sie sind eine Bereicherung“, betonte Micksch und regte an, dem Volkstrauertag eine neue Dimension zu geben: „Wir sollten nicht nur an die Toten früherer Generationen denken, sondern auch an die jetzt Sterbenden.“ Dazu gehörten auch jene muslimischen Glaubens: „Muslime gehören zu unserem Volk und deshalb auch zu unserem Volkstrauertag“, sagte der Theologe aus Darmstadt.

In einer bewegenden Videobotschaft bedankte sich der einst geflüchtete Afghane Mohammadi Naiem, der seit 16 Jahren ertrunkene Flüchtlinge auf der griechischen Insel Lesbos beerdigt, für die neue Gedenkstätte. Sie helfe den Angehörigen der Opfer beim Abschied nehmen. Der Arster Pastor Christian Schulken indes erinnerte an eine moralische Verpflichtung: „Diese Menschen wollten zu uns. Damit sind sie auch unsere Toten.“ Sich um diese Toten zu kümmern, ihnen ein würdiges Andenken zu geben, dafür sei die neue Gedenkstätte da. Schulken rief zu mehr Mitgefühl und Fürsorge auf. Die St. Johanneskirche war an diesem Tag restlos besetzt. Rund 200 Menschen verfolgten den Gottesdienst. In den Kirchenbänken saßen Christen neben Muslimen und Atheisten, Geflüchtete neben Bremern.

 
 

Sowohl der Vizepräsident der Bremischen Evangelischen Kirche, Lutz Wedemeyer, als auch Sülmez Dogan von der Bremischen Bürgerschaft würdigten das Engagement der Kirchengemeinde in der Flüchtlingsarbeit. Die neue Gedenkstätte zeige einmal mehr, dass Bremen eine weltoffene Stadt sei – erinnere aber auch daran, dass immer noch täglich Menschen auf dem Weg in ein besseres Leben sterben, so Dogan. „Wir alle müssen dafür werben, dass das Sterben in der Wüste und im Mittelmeer endlich beendet wird.“ Anschließend zitierte Bilal Güney vom Vorstand der Islamischen Förderation Bremen aus dem Koran: „Allah ist mit den Geduldigen...“

 
 

Videobotschaft von Naiem Mohammadi

Videobotschaft zum Einweihungsgottesdienst

Naiem Mohammadi

Mohammadi hat auf der Insel Lesbos über Jahre hinweg Leichen beigesetzt, die aus dem Meer an die Küste der Insel gespült worden sind. Zum Gottesdienst zur Einweihung der Gedenkstätte im Juni 2018 hat er ein Grußwort übermittelt, das im Gottesdienst eingespielt und in deutscher Übersetzung vorgetragen worden ist. Mittlerweile arbeitet Mohammadi in einem Flüchtlingshilfeprojekt von Pro Asyl.

Video auf YouTube ...

"Gedenkmäler für Geflüchtete" von Stephan Scholz

"Gedenkmäler für Geflüchtete"
von Stephan Scholz

Artikel aus "Zeithistorische Forschungen" / Heft 3/2020
 

Dr. Stephan Scholz, Privatdozent am Institut für Geschichte an der Universität Oldenburg, hat die Gedenkstätte in einem Artikel in Zusammenhang mit anderen Gedenk-einrichtungen zur Fluchtproblematik in Deutschland gestellt. Er zeigt, wie diese in den Kontext einer umfassenden Entwicklung der Erinnerungskultur und der Möblierung des öffentlichen Raumes hineingehören und diese selber mit prägen. Auch die eigene Gegenwart wird in die differenzierte, selbstkritische Auseinandersetzung mit der großen Politik einbezogen.

Foto: Stephan Scholz, Bremen 2019

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