Glaube und Theologie

Glaube und Theologie in Arsten und Habenhausen

"In unserer Gemeinde gelten die altkirchlichen und reformatorischen Bekenntnisse. Dabei ist sie sich bewusst, dass die Lehrverurteilungen weiterhin des ökumenischen Diskurses bedürfen." (Aus der Präambel unserer Gemeindeordnung)

 

Zur Geschichte des Genfer Psalters

Obwohl er doch bereits im Alten Testament zu finden ist, hat der „Psalter“, das Buch der 150 Psalmen, sich schon früh als das Gesangbuch der Christenheit in den Gottesdiensten der alten Kirche durchgesetzt. Der „Genfer Psalter“, aus dem wir in Habenhausen häufig in den Gottesdiensten singen, ist bekanntermaßen eine Bereimung des biblischen Psalters. Über die Melodien kann man sehr unterschiedlicher Meinung sein und ist es auch.

Es scheint so, dass die Psalmen „schon immer“, also bereits zu vorchristlichen Zeiten, im jüdischen Gottesdienst im Tempel zu Jerusalem, gesungen, und nicht (gemeinsam) gelesen worden sind. Insofern entbehrt die vielerorts geübte Praxis, den Psalm des jeweiligen Sonntags im Wechsel zu sprechen, statt ihn zu singen, nicht einer gewissen Künstlichkeit und Sprödigkeit.

In den ersten christlichen Jahrhunderten sang ein Vorsänger die einzelnen Verse, die Gemeinde antwortete mit dem (ebenfalls gesungenen) Kehrvers. Der Psalm wurde immer gesungen!

So hat es auch die Reformation bei behalten. Für Bremen ist die reformierte Konfession seit den 1580er Jahren maßgeblich geworden. In den Kirchen im Gefolge Calvins stand fest: Gesungen werden muss im Gottesdienst. Und was gesungen werden soll, das sind die biblischen Psalmen!

 

Also mussten Dichter her, und machten sich an das Schmieden moderner Reime zu den alten Texten. Clement Marot, Johannes Calvin selbst und Théodore de Bèze haben die Psalmen ins Französische übersetzt. In deutscher Zunge betätigten sich Ambrosius Lobwasser und, viel später, Matthias Jorissen als Dolmetscher.

Im Grunde wurden die gesungenen Psalmen als Gemeindelieder noch einmal „neu erfunden“. Es ist dabei gelungen, die Tradition des gesungenen Psalms, die von Anfang an in der Kirche geübt worden ist, in die Neuzeit zu übertragen. Nach seiner „geistigen Heimatstadt“ bekam das Buch mit den singbaren, gereimten Psalmen den Titel „Genfer Psalter“.

 

Wer einmal Urlaub in den Niederlanden macht und sich in einen reformierten Gottesdienst traut: Dort singen große Gemeinden diese Psalmen seit Jahrhunderten in ununterbrochener Tradition. Entsprechend mächtig ist der Gesang. In Bremen ist diese Tradition weithin abgebrochen. Nicht, weil die Gemeinden nicht mehr mochten! Die Genfer Psalmen sind vielmehr von einem rationalistischen Senat seit ungefähr dem Ende des 18. Jahrhunderts aus dem Verkehr gezogen worden. Sie erschienen in ihrer biblischen Gedankenwelt nicht mehr modern genug. Man wollte aufklärerische Gedanken durch das kirchliche Liedgut unter’s Volk bringen.

 
 

Die Melodien der bereimten Psalmen

Mancher hält die Melodien des Genfer Psalters, mit gewissem Recht, für „mathematisch“ und künstlich. Sie sind „mathematisch“, diese Melodien, von künstlichem Aufbau, und sie erinnern nicht zufällig eher an einen Garten der Renaissance oder des Barock mit seinen geschnittenen Hecken, den geformten Rabatten und künstlichen Teichen, als an einen englischen Landschaftspark oder gar eine urwüchsige Waldung.

Calvin wünschte für die Psalmen einen „chant ecclésiastique“ (Sakralstil), der sich durch „poids et majesté“ (Gewicht und Erhabenheit) von weltlicher Musik absetzen sollte. Die Komponisten Guillaume Franc, Louis Bourgeois oder Pierre Davantès zielten nicht auf die Volkstümlichkeit ihrer Musik. Das Wort Gottes ist der Sinn ihres kompositorischen Aufwandes, und da durfte es wohl angehen, dass die Melodien, die dieses Wort transportierten, ein tönendes Abbild der Ordnung und Strenge Gottes selbst und der Durchwaltung aller Naturkräfte durch den göttlichen Geist geben.

 

Keine Ausbrüche, keine Sprünge, keine Eruptionen der Leidenschaft, sondern Mass, Gehaltenheit und, noch einmal: Ordnung, sollen uns trösten, wenn wir singen. Denn die Welt ist wild genug, unser eigenes, privates Leben mag wohl auch von Leidenschaften zerrüttet werden, von Hass und Furcht und Eros zumal, aber in Gott finden wir, mitten aus all dem, zur Ruhe.

 

Gewissen Zeiten, vielleicht gerade sehr zivilisierten, fast schon spießigen Gesellschaften, erscheint das langweilig. In ordentlichen Zeiten sucht man sich unordentliche Vorbilder. Die Adenauer-Ära hat sich nicht zufällig dem Rock’n Roll in die Arme geworfen. Kein Wunder, dass der Genfer Psalter in Deutschland erst in jüngster Zeit wieder Aufmerksamkeit und singende Gemeinden findet. Denn erst in Zeiten, in denen alle Ordnung und, erst Recht, alles Mass längst aufgehoben ist in einer nach allen Seiten unbegrenzten Beliebigkeit und Verwirrung der Begriffe, weiss die Gemeinde Jesu, was sie hat, wenn sie unterschlüpfen kann unter dieses sehr ordentliche Notengewand, wie die Küchlein unter die Flügel einer Henne. „Unruhig ist mein Herz, bis es Ruhe findet in dir“ hat Augustin vor mehr als eineinhalb Jahrtausenden geseufzt. Wir machen unser Seufzen zum Singen und stimmen ein in den uralten Lobgesang Israels.